2024-12-01 – Wieder Wartende werden

Worauf warten Sie im Advent und zu Weihnachten? Ja, ich weiß, das ist eine vorhersehbare Frage. Mancher möchte da vielleicht schelmisch antworten: Na ich warte zwar eigentlich auf den Gänsebraten und ein paar freie Tage, aber wie ich den Laden bei Kirchens kenne, warten da wohl alle auf das liebe Jesuskind. – Punkt für Sie. – Doch was wäre, wenn wir diese Frage einmal als echte Frage hören, nach dem Motto: Worauf warte ich für mich in dieser Adventszeit? Welche Erwartung soll sich erfüllen? Was müsste passieren, damit ich Ende Dezember sagen kann: Das war eine schöne und wichtige Zeit für mich?

Vielleicht ahnen wir, dass das Geheimnis des Advents eben auch im Warten liegt. Kein stumpfsinniges Warten, das man am liebsten überspringen möchte, sondern ein Warten, das etwas in Gang setzt. Wer auf lieben Besuch wartet, weiß was gemeint ist. Schon mit der Ankündigung des Besuchs werden viele Dinge ins Rollen gebracht: Gebacken, gekocht, geplant, gewischt, gelüftet, geträumt, sich gefreut… Man kann sagen: Mit der Ankündigung des Besuchs ist der Besuch in gewisser Weise schon da. Auch der Advent ist darum keine leere Wartezeit, sondern eine gefüllte Zeit mit Blick auf Gottes Ankunft bei uns. Ein Blick, der nicht bei den Tagesmeldungen hängen bleibt, sondern danach Ausschau hält, wo etwas von Gottes Nähe aufleuchtet.

Kürzlich las ich von Pflanzensamen, die bis zu 1.600 Jahre in der Erde warten (biologisch gesprochen: überdauern) können, bis sie keimen. Sie beenden ihre Ruhezeit auch auf ein bestimmtes Wärme- und Lichtsignal hin. Übertragen auf unsere Adventszeit hieße das: Wir werden empfänglich für das Wunder von Weihnachten, indem wir uns den richtigen Signalen aussetzen: Die Seele hinhalten in die Wärme der Adventslieder und in das Licht der biblischen Botschaft. Und dann das Wunder spüren dürfen, dass da nach über 2.000 Jahren Ruhezeit plötzlich Glaube in mir aufkeimt, der mich mit Gott verbindet. Bis dann die „alten Schalen“ platzen beim: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr, der Herrlichkeit.“ – Mögen wir in diesem Sinne wieder Wartende werden.

 „Wort zum Sonntag“, von Gerd Krumbiegel, Pfarrer in der Kirchgemeinde Großschönau, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 30.11./01.12.2024.