2022-07-24 – Von (unseren) Wegen
Ein warmer Sommertag. Viel Blau am Himmel, nur ein paar kleine Wölkchen. Wind und Gewitter verschonen die Stadt. Menschen strömen durch die Altstadt von Görlitz, darunter viele Touristengruppen. Auf dem Untermarkt sind Zelte aufgebaut. Fröhliches Treiben mit Musik und munterem Erzählen. Die Cafés haben geöffnet. Der Brunnen plätschert sanft und verbreitet angenehme Kühle. Die Bläsergruppe von Consonare, den tschechischen Posaunenchören, spielt auf. Verweile doch, du bist so schön …
Es ist Ende Juni: Lausitzkirchentag „Von wegen“. Eines der Zelte auf dem Untermarkt ist aus dem Zittauer Gebirge. Der Stand ist mit Fotos von Wegen im Zittauer Gebirge geschmückt. Dort hat ein Erzählcafé geöffnet: “Eine Tasse Kaffee, ein Tee?“ Viele nehmen das gern an. Manche sind auch pflastermüde und setzen sich für ein paar Minuten. Drei Ehepaare aus Olbersdorf, Jonsdorf und Heiner Eggert aus Oybin erzählen unter dem Motto „Von Wegen“ von den Wege der Veränderung, ihren ganz persönlichen Erlebnissen auf dem Weg bis heute und hier. Das ist auch Thema auf den großen Podien, auf den roten Sofas und in den Veranstaltungen, aber hier wird es fast privat: Welche Umbrüche und Veränderungen prägten den Weg? Was hat dabei geholfen? Wie sehen wir heute darauf?
Besonders Olbersdorf und sein Umfeld haben in den 1980er und 1990er Jahren gespürt, was Umbrüche bedeuten und wie Veränderungen wirken. Ein ganzer Ortsteil verschwand durch den Tagebau und mit ihm auch die 100 Jahre alte Kirche. Viele Tränen sind geflossen, als der Abschied kam. Dabei ist es aber nicht geblieben. Menschen kamen zusammen und haben gemeinsam überlegt, wie es weiter geht. Sie sind nicht auf der Stelle stehen geblieben, aber sie haben sich auf ihren Weg einiges mitgenommen. Im ganz wörtlichen Sinn: Teile aus der alten Kirche wurden Stücke in der neuen Kirche. Sich etwas mitzunehmen durch den Umbruch hindurch, kann Halt geben. Ein neues gemeinsames Arbeiten wurde begonnen – mit der Beteiligung vieler – die neue Kirche, verbessert um mehr Nutzungsmöglichkeiten, angepasst an die Bedürfnisse der Zeit. Die Seele des ganzen: Vertrauen zu Gott. Er ist mit auf dem Weg.
„Wort zum Sonntag“, von Pfarrer Dr. Christian Mai, Pfarrer in der Kirchgemeinde Zittauer Gebirge-Olbersdorf, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 23./24. Juli 2022.