2020-03-22 – „Geh unter der Gnade, geh mit Gottes Segen…“
Dieses Lied begleitet mich seit vielen Jahren. Ich habe es oft auf Geburtstagen oder am Ende des Gottesdienstes als guten Wunsch für die Menschen, aber auch für mich selbst gesungen. In diesen Tagen – so scheint es mir – hat die Liedzeile an Tiefe zugenommen. Da geht es auf einmal um meine Existenz. Werde ich verschont bleiben – und falls nicht, wie schwer werde ich am Virus erkranken? Wem werde ich womöglich anstecken? Was wird aus meiner beruflichen Existenz, dem, was ich mir aufgebaut habe und noch aufbauen wollte?
Fragen über Fragen, auf denen ich keine Antwort finde, die aber meine Angst größer werden und mein Bedürfnis nach Sicherheit ansteigen lassen. Zehn Packungen Nudeln, fünf Kilo Reis und dreißig Rollen Klopapier – die tun für den Moment vielleicht gut, weil sie mir das Gefühl von Sicherheit geben, aber sie können mir nicht wirklich das geben, was ich brauche: einen inneren Halt. In der Versuchungsgeschichte in der Bibel antwortet Jesus auf die erste Versuchung mit den Worten: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jedem Wort, das aus dem Munde Gottes ausgeht.“ (Matthäus 2,4).
Es sind die guten Worte, die unser Leben aufblühen lassen, wenn wir von ihnen innerlich berührt werden; die uns aber auch Trost und Halt in schweren und angstvollen Zeiten geben können. Gute Worte habe ich dieser Tage in einer WhatsApp-Nachricht gelesen, wo ein Pfarrer aus der Region schreibt: „Wir schauen, wie ältere Menschen unterstützt werden können. Besuche in Pflegeheimen? Ebenso Unterstützung von Familien…“ – Ja, das sind Worte, aus denen Leben sprießt (!), gegen alle Angst, die Corona mit sich bringt, gegen alles Hamstern und „Hauptsache ich!“. Hier ist der Geist Gottes in seiner Kraft und in seiner Liebe zum Greifen nahe.
Auch wenn die kommenden Tage und Wochen nicht leicht werden, eines kann uns die Krankheit nicht wegnehmen: Einander Gutes zu sagen und zu tun. Im Gegenteil. Gute Worte (ver)wandeln unseren Sinn und lassen die Hoffnung für uns und andere wachsen – dass es gut ausgehen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil über das, was wir mit unserer kleinen Kraft vermögen, es einen Gott gibt, in dessen Hand wir geborgen sind und geborgen bleiben – heute, morgen und über alle Zeit hinaus – auch über den Tod.
In diesem Sinne mögen gute Worte am Ende meiner Gedanken stehen. Es sind die alten Segensworte Aarons, dem Bruder des Mose. Mögen sie unser durch die kommende Zeit begleiten und tragen: „Der Herr segne Dich und behüte Dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf Dich und gebe Dir seinen Frieden.“
„Wort zum Sonntag“, von Peter Pertzsch, Pfarrer im Fachkrankenhaus Großschweidnitz,
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 21./22. März 2020.