2019-04-13 – „Heute ein König und morgen …?“
„Früher haben die Menschen einen roten Teppich vor mir ausgerollt. Und das mit 28 Jahren. Und dann kam der Absturz.“ Der Mann, der mir gegenübersitzt, ist mittlerweile Anfang 50 und beschreibt, wie aus seiner Sicht sein Leben privat und beruflich gescheitert ist. Gründe dafür gibt es genug, natürlich auch eigene. Das weiß er und versucht, sich und sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und das ist schwer genug. Von außen erfährt er nur wenig Anerkennung. „Wer hoch hinaus will, der kann eben auch tief fallen.“ Worte wie diese kennt er meist von Menschen, die sich in ihrem Leben nie hinausgewagt haben und mit dem Misserfolg jener, die den Mut hatten, etwas zu wagen, sich ihr eigenes sicheres Leben bestätigen.
Am kommenden Sonntag feiern wir in den Kirchen den „Palmsonntag“. Wir erinnern uns damit an die Geschichte „Vom Einzug Jesu nach Jerusalem“. Viele Menschen standen damals am Wegesrand und haben Palmenzweige und Kleidungsstücke ausgebreitet, um ihm zu zeigen: „Für uns bist du der König!“ ln diesem Moment hätte wohl keiner von ihnen gedacht, dass eben jener „König“ vier Tage später verhaftet, verurteilt und gekreuzigt wird. Dabei hätten jene, die ihm hier zugejubelt haben, sein Leben retten können. Als der Statthalter Pontius Pilatus dem Volk die Frage stellte, wen er begnadigen soll zum Passahfest (das höchste Fest der Juden) – entweder Barabas, den Räuber und Mörder oder Jesus – da riefen sie lautstark: „Gib Barabas frei und kreuzige Jesus!“
Was ist passiert, dass Jesus in so kurzer Zeit bei den Menschen in Ungnade gefallen ist? Lag es wirklich nur an der List weniger, die Jesus schon immer loswerden wollten und die Massen manipuliert haben? Ich glaube das nicht. Ich, denke, dass es die Klarheit seiner Botschaft war, die bei den Menschen Angst, Wut und Enttäuschung ausgelöst hat. Sie hätten gern einen König gehabt, der sie schnell von den Römern befreit und wo dann wieder alles so weitergehen kann wie bisher. Doch Jesus war kein Revolutionär, sondern er wollte Versöhnung, Gewaltlosigkeit und Liebe; dass die Menschen ihr eigenes Tun bedenken und verändern. Dazu aber waren sie nicht bereit, jedenfalls die meisten. Und wenn ein König nicht so mitspielt, wie das Volk es will, dann lässt man ihn auch schon mal fallen, wenn man die Macht dazu hat. Später, nach dem Tod Jesu am Kreuz, haben einige mit Erschrecken begriffen, was passiert ist, aber dann war es zu spät, konnten sie es nicht mehr rückgängig machen, blieb ihnen nur ihre Reue und die Erkenntnis, dass Wut und Enttäuschung kein guter Ratgeber für Entscheidungen sind, schon gar nicht für „Denkzettel“.
Bleibt zu dieser Geschichte noch zu sagen, dass Jesus wusste, was geschehen wird und diesen Weg dennoch gegangen ist. So war sein Tod am Kreuz nicht sinnlos, sondern bei aller Dunkelheit ein neuer Anfang, der sich am Ostermorgen mit dem Ruf: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“, Bahn gebrochen hat – bis zum heutigen Tag. Menschen, die sich herauswagen, stehen zu allen Zeiten in Gefahr, zu Fall gebracht zu werden, da sie zu einem Risiko werden für jene, die nichts so sehr fürchten wie die Veränderung. Und doch braucht Gott gerade die Mutigen, die sich hervorwagen und manchmal dabei Kopf und Kragen riskieren.
„Wort zum Sonntag“, von Peter Pertzsch, Pfarrer im Fachkrankenhaus Großschweidnitz,
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 13./14. April 2019.