2021-10-30 – Wie wollen wir in der Oberlausitz leben?
Diese Frage höre ich immer wieder. Naja, oft genug habe ich eher den Eindruck, gelebt zu werden, statt selber zu leben.
Was ist „Leben“ für mich? „Überleben“ ist ein großes Thema und die Angst vor dem „Ableben“ hat viele in ihren Bann gezogen.
Ich sehne mich danach, wieder „aufzuleben“, nach all den Verwerfungen der letzten Zeit. Aber dass die Hoffnung auf ein „normales Leben“ vor allem an Dingen oder materiellen Gegebenheiten hängen soll, lässt mich zweifeln (ich heiße schließlich Thomas).
Denn diese Hoffnung wird getrübt von Angst vor Liefer- und Materialengpässen und steigenden Preisen. Und sie klammert sie sich an Wirtschaftswachstum, Kohleausstieg, Solardächer und sichere Renten. Nicht, dass das alles nicht wichtig wäre, aber ist das alles, was wir vom Leben erwarten?
„Was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber zuletzt sein Leben verliert?“ wird Jesus zitiert, als es darum geht, welches Leben sinnvoll ist und ans Ziel bringt.
Was habe ich davon, wie ein Gewinner auszusehen, finanziell abgesichert und umgeben von Wohlstand? Wenn daneben Freundschaften zu Bruch gehen, Streit oder Gewalt in Familien zunimmt und Hass auf „die Anderen“ mein Leben kaputt macht? Sollten wir nicht vielmehr unser „Herz“ sprechen lassen, und nicht die „Galle“?
Jesus hinterfragt auch andere Lebensziele, die, für sich allein gesehen, auch nicht wirklich nachhaltig sind. Was nützt uns Recycling von Rohstoffen, wenn daneben der Müllberg an gescheiterten Beziehungen wächst? Was nützt uns Klimaschutz, wenn sich daneben unser Miteinander durch Hass aufheizt und mit gegenseitiger Verachtung verpestet wird? Was unser Leben nachhaltig macht, sind Ziele, die nichts mit Geld und Wohlstand zu tun haben, denn ins Grab können wir keinen Cent mitnehmen. Ziele, die aber auch mehr sind, als möglichst keine schädlichen Fußabdrücke auf der Erde zu hinterlassen und noch ein paar Jahre einigen Menschen gut im Gedächtnis zu bleiben. Natürlich ist das auch etwas. Aber ist das wirklich alles?
Jesus beantwortet diese Frage mit einem scheinbar paradoxen Satz: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Das heißt, positiv ausgedrückt, wer sein Leben als Geschenk Gottes erkennt und es darum loslassen und weiterverschenken kann, wird es neu geschenkt bekommen über den Tod hinaus. Das ist möglich, weil Jesus, Gottes Sohn, sein Leben für uns weggeschenkt hat und uns mit seinem Opfertod am Kreuz zu wirklichem Leben befreit hat. Das ist vordergründig eine sehr anstößige Geschichte, doch wer die Beziehung zu dem auferstandenen Jesus sucht, kann die selbstlose Liebe Gottes darin erkennen. Begegnen Sie dem, der schon lange darauf wartet, dass Sie zu ihm Kontakt aufnehmen und eine Beziehung mit ihm beginnen. Und das wird auch unsere Beziehungen untereinander verändern.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit, Ihr Thomas Hoffmann
„Wort zum Sonntag“, von Thomas Hoffmann, Gemeinschaftspastor in Zittau und Umgebung
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 30./31.Oktober 2021