2023-01-22 – Wo kommst Du her? Wo gehst Du hin?
„Wo ich herkomme?
Ich war am Wochenende in der Nähe von Köln. Wir haben Gebäude besetzt in einem kleinen Dorf, dass es jetzt schon nicht mehr gibt. Die Räumfahrzeuge sind quer durch, nachdem die letzten von uns die Blockade aufgeben mussten. Jetzt wird abgebaggert. Das ist so sinnlos! So unnötig! Unsere Welt geht vor die Hunde und wir schauen zu. Wo ich hingehe? Keine Ahnung … Ich sehe mich nicht wieder im Hörsaal sitzen und für Prüfungen lernen. So ändert sich doch nichts. Aber wie könnte sich etwas ändern?“
„Wo ich herkomme?
Gerade komme ich vom Friedhof. Wie die Urne verschwand in diesem Erdloch, das Bild hat sich mir tief eingebrannt. Dann stand ich da, es war kalt, einzelne Schneeflocken fielen auf die dunkle Erde. 25 Jahre hatten wir einander gehalten, immer, Tag für Tag. Und nun ist das alles, was mir bleibt. Wo ich hingehe? Nach Hause. Ich räume Fächer aus, gieße die Blumen. Das Leben geht weiter, sagen die Leute. Tut es das?“
„Wo ich herkomme?
Ich bin weggerannt von der Hausherrin. In die Familie, bei der ich lebe, gehöre ich nicht hinein. Was ich brauche, was ich mir wünsche, ist egal. Hauptsache, ich funktioniere. Ich halte das alles nicht mehr aus. Ich muss da raus, auch für das Kind in meinem Bauch. Wo ich hingehe? Im Moment kann ich keinen Weg sehen für mich. Vor mir liegt nur Wüste.“
Und Du? Wie würdest Du antworten? Woran verzweifelst Du, was betrauerst Du, wovor rennst Du weg? Schwere Fragen sind das. Und die allerschwerste ist: Wo gehst Du hin?
Dazwischen stehen wir, zwischen unserem Woher und Wohin angesichts herausfordernder Zeiten, die an uns als Gemeinschaft zehren.
Genau in diesem Dazwischen, in dem ich stehe, stärkt mich dieser eine Satz:
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“*
*Jahreslosung für 2023 aus 1Mose 16,13
„Wort zum Sonntag“, von Maximiliane Rehm, Pfarrerin im Kirchspiel Oberes Spreetal, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 21./22. Januar 2023