2023-03-04 – Zwanzig Euro Vertrauen
„Was ist denn das für ein Quatsch, als ob sich Vertrauen in Geld ummünzen lässt?“
Letzten Sonnabendabend. Hinter uns liegt eine 2 stündige Wanderung. Wir sind ein wenig durchgefroren und freuen uns, dass wir den inneren Schweinehund überwunden haben und dem Wetter getrotzt haben. Wir machen noch kurz am Auto halt, um die Scheibe abzudecken, als uns ein junger Mann, vielleicht Anfang Zwanzig, anspricht: „Haben Sie vielleicht ein Portemonnaie gefunden? Ich muss es hier irgendwo verloren haben.“ Wir schütteln beide den Kopf. „Tut uns leid, aber wir kommen aus der anderen Richtung.“ Dann erzählt er uns, dass er eigentlich in Leipzig wohnt und sich eine Wohnung angeschaut hat und irgendwo auf dem Weg von der Wohnung, die er besichtigt hat, und der S-Bahnstation, sein Portemonnaie verloren hat. Zwei Stunden sucht er schon. Ohne Erfolg. Als er fertig ist mit Erzählen, hält er inne. Dann stellt er uns beiden die Frage: „Können Sie mir vielleicht 20 Euro leihen, damit ich nach Hause komme?“ In meinem Kopf rattert es. „Was ist, wenn er die Geschichte nur erfunden hat? – „Hey, du Kleingeist, stell dir vor, dir wäre das passiert. Dann hoffst du auch, dass dir jemand hilft! Stell dich nicht so an, es geht um Zwanzig Euro.“ – Ich schaue ihn an und sage: „Ja, haben wir.“ Wir haben kein Geld einstecken. So gehen wir gemeinsam zu unsrem Haus. Ich hole das Geld und gebe es ihm. Der junge Mann bedankt sich und sagt: „Nächsten Freitag bringe ich es Ihnen vorbei, da bin ich wieder hier. Dann verabschiedet er sich und macht sich auf in Richtung S-Bahnhof.
Wir schauen uns beide an und scheinen die gleiche Frage zu haben: „Wird er am Freitag wiederkommen und das Geld in den Briefkasten stecken? – „Keine Ahnung, ich denk‘ schon.“ „Und wenn nicht?“ „Dann geht die Welt auch weiter.“ – Wir lachen uns beide an. Dann gehen wir in die Wohnung, wo es warm ist und freuen uns auf das warme Bad und das Abendbrot.
Der morgige Sonntag „Reminiscere“ hat seinen Namen aus dem Bibelwort aus Psalm 25,6: „Herr gedenke an deine Güte und Barmherzigkeit.
In seiner Liebe, konkret: in seinem Sohn Jesus Christus, haben wir beides umsonst von Gott empfangen. Wir wiederum sind eingeladen, nicht nur Empfangende zu sein, sondern Gebende, etwa: indem wir selbst Vertrauen wagen, uns nicht bis ins Letzte absichern, „einfach so“ an das Gute glauben. – Das liegt nicht so im Trend und ist nicht frei von dem Vorwurf der Naivität, aber es tut not! Die bestehende Welt werden wir damit nicht umkehren, wohl aber durchbrechen und Zeichen der Liebe setzen. Jedes einzelne Mal, wo dies gelingt, ist es wert! – Denn von dem haben wir schon viel zu viel…
„Wort zum Sonntag“, von Peter Pertzsch, Krankenhausseelsorger im Fachkrankenhaus Großschweidnitz, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 4./5. März 2023