2019-10-12 – Loslassen oder Bewahren

Die Erntezeit geht zu Ende in diesen Tagen und Wochen. Erntezeit, das heißt auch: die Spreu vom Weizen trennen, einen Teil aufbewahren – als Wegzehrung für den Winter, für die dunkle Zeit – und einen anderen Teil loslassen. Die Spreu vom Weizen trennen… – auch im Leben ist das immer mal wieder angesagt. Aber oft ist das gar nicht so einfach.
Prüft alles und das Gute behaltet! empfiehlt Paulus im 1.Thessalonicherbrief (1.Thes 5,21). Dieser Satz – jetzt in den Herbst, in die Erntezeit hineingesagt – regt an, darüber nachzudenken, was mir die zurückliegenden Monate gebracht haben, für mich herauszuschälen, was mein Leben bereichert und was mich hat wachsen lassen, was gut getan und was die Seele gefreut hat.
Das gilt es zu behalten! Zu behalten im Sinne von „im Herzen bewahren“ – als Stärkung für die kommende Zeit, sozusagen als Wintervorrat für die Seele. Es gilt aber auch zu fragen: Was ist meine „Spreu“? Was will ich nicht mit durch den Winter nehmen? Wovon sollte ich mich trennen? Was kann und will ich loslassen?
Viele von uns kennen das: wir schleppen vieles, was wir nicht mehr brauchen, weiter mit uns herum – Dinge, die ihren Sinn verloren haben, aber auch manch alte Gewohnheit, innere Bilder, die uns nicht gut tun oder aus denen wir längst herausgewachsen sind wie aus alten Kleidern.
Deshalb: Prüft alles und das Gute behaltet! Trennt die Spreu vom Weizen.
Nicht leichtfertig soll das geschehen, denn manches, was auf den ersten Blick unwichtig erscheint, kann doch von Bedeutung sein, und an manchem, über das wir uns zunächst ärgern, können wir vielleicht wachsen. Genaues Prüfen, Hinschauen, Abwägen ist also wichtig.
Und dann ist es wichtig, die Spreu tatsächlich loszulassen und den Weizen, das Gute und Kostbare, zu bewahren.
Vielleicht finden Sie an diesem Wochenende oder in den kommenden Tagen etwas Zeit, auf die zurückliegenden Monate zu blicken, Ihre ganz persönliche „Ernte“ zu bedenken und zu prüfen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie dabei viel Gutes entdecken, das es zu bewahren lohnt und für das Sie Gott danken können. Und dass Sie die Kraft finden, manch anderes loszulassen.

„Wort zum Sonntag“, von Constance Šimonovská, Pfarrerin in der Kirchgemeinde Neusalza-Spremberg – Friedersdorf,
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 12./13. Oktober 2019.