2020-03-01 – Liebe und Urvertrauen sind wichtiger als alles andere!

Neulich kam ich in eine Thalia Buchhandlung. Als Erstes: Hin zu den Bestsellern, denn sie bringen zur Sprache, was den Menschen heute am meisten bewegt. Da stand nun unübersehbar: Das Kind muss Heimat finden! von Stefanie Stahl, einer säkularen Psychotherapeutin.
Ihr Resümee: Ohne Zuwendung, Wertschätzung, Geborgenheit und Urvertrauen entwickelt sich kein Mensch zu einem starken, freien, positiven und andere Menschen bereichernden Persönlichkeit. Ohne solche Verankerung und Heimat bleibt der Mensch im Schatten, im Egoismus, im Negativen stecken. Danke der Autorin für ihre realistische Einschätzung!
Aber für mich als Christ ist dies alles nichts Neues! Schon die Bibel und der christliche Glaube rufen zu dieser Haltung. Ein aktives und lebendiges Gottvertrauen gibt innere Kraft und Stärke, lässt Angst überwinden, lässt uns vergeben, lässt uns über dem Zank und Streit dieser unseren kaputten Welt stehen, weil wir einem vertrauen, der höher und besser ist als alles in unserer Welt. So konnte Paul Gerhard, der durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt war, trotz allem singen: Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich. So oft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich. Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott?
So bin auch ich durch Gottvertrauen aus meiner Ängstlichkeit, aus Minderwertigkeitskomplexen, Feigheit und Selbstablehnung heraus gewachsen – und gewinne dadurch immer wieder Zuversicht, Stärke und einen Frieden, der mehr ist als alles in dieser Welt – auch über den Tod hinaus.
Als sehr gestrig und seltsam mutet mich Heutigen an, dass derzeitige Lehr- und Schulbücher uns indirekt suggerieren, dass wir als Mensch nur ein Zufallsprodukt einer blinden Natur seien – und unser Geist und unsere Persönlichkeit nur das Ergebnis von chemischen Nervenprozessen. Muss man sich dann wundern, dass Menschen mit wenig Selbstwertgefühl und wenig sozialer Verantwortung aufwachsen und ins Egoistische und Asoziale abrutschen, der Zeitgeist immer kälter wird und unsere Psychotherapeuten überlaufen sind.
Aber auch wir als Kirche sind angefragt, ob wir noch am Ball sind, wenn abstrakte trockene Theologie, statt erfahrene Gottesliebe, unsere Verkündigung bestimmt! Wenn rechthaberische, lieblose Frömmigkeit unser Zusammenleben stört! Wenn kalte Institution uns frieren lässt – und als Folge dann uns übersieht, meidet – oder gar die Kirche verlässt.

Liebe Leser und Leserinnen! Ich habe sehr zugespitzt – und vielleicht auch verärgert! Entschuldigung! Aber manchmal ist das wohl nötig, damit wir wach – und besser werden.
Trotz allem! Ihr Siegfried Nerger

„Wort zum Sonntag“, von Pfr.i.R. Siegfried Nerger
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 29. Februar/1. März 2020.