2020-08-23 – (K)ein unbeschwerter Somme

Ach, wo ist sie nur hin, die alte Unbeschwertheit? Sommersonne satt und perfektes Badewetter? Aber die Trockenheit und die Verluste in der Landwirtschaft!! Herrlich laue Grillsaison? Aber die grauenhaften Zustände in der Fleischindustrie!! Unbeschwerte Urlaubswochen in Spanien oder der Türkei? Aber die leidigen und unberechenbaren Corona-Beschränkungen!! Feuchtfröhliche Familienfeiern? Teilnehmer-Obergrenze!! Normaler Schulstart nach den Ferien und Rückkehr zu vertrauten Alltagsabläufen? Völlig unklar, ob, wie lange, mit welchen Einschränkungen und wann die Rolle rückwärts kommt!!
Ach, wo ist sie nur hin, die frühere Unbeschwertheit! Eine echte Herausforderung, bei so vielen „Baustellen“ irgendwie die innere Balance zu halten!
Wie gelingt eine Unbeschwertheit, die Lebenslust und Verantwortung zusammenhält? Ohne dass man dafür seine Zuflucht bei Verschwörungserzählungen, einer Ist-mir-doch-alles-egal-Haltung oder Schuldzuweisungen sucht?
Für eine Gestimmheit, die Lebenslust und Verantwortung zusammenbringt, braucht es jedenfalls eine bewusste innere Haltung: Ja, wir sind verantwortlich für unsere Welt, aber wir müssen sie nicht retten – als Christ glaube ich, dass Gott diese Welt schon gerettet hat! Ja, wir dürfen für unsere Rechte einstehen und unsere Freiheiten genießen, aber wir dürfen dabei die Rechte und die möglichen Freiheitsverluste vieler anderer nicht ausblenden – als Christ glaube ich, das wir alle Töchter und Söhne Gottes sind, jede und jeder Mensch mit dem gleichen Recht auf Leben, Liebe und Unversehrtheit. Und ja, unser letzter Lebenssinn hängt nicht an Essen, Reisen, Feiern – als Christ glaube ich, dass Jesus Christus uns eine Art zu leben und zu glauben gezeigt hat, in der auch das verkürzte und eingeengte Leben noch ungekürzt und unbegrenzt sinnvoll ist.
Aus einer solchen inneren Haltung wird dann auch konkretes Tun hervorgehen: Gerne mal Fleisch genießen, aber nicht als trotzig behauptetes Grundrecht, sondern als Besonderheit am Sonntag und in Maßen (auch die Gesundheit wird es einem danken). Statt Malle mal Mecklenburg und statt Flieger Fahrrad. Solcherart entschleunigt lässt sich genauso viel Schönes und Unerwartetes entdecken (und das sogar ohne Sprachhindernisse). Und einfach mal Spannung aus all den hitzigen Diskussionen herausnehmen, mancher unlogisch scheinenden Regelung eher mit Lachen als mit Zorn begegnen (auf Dauer fühlt man sich ja als Opfer einfach nur beschießen). So wird die Unbeschwertheit in diesem Sommer ganz neue Fassetten und Farben bekommt.
Eine Sommerzeit in dieser inneren und äußeren Balance wünscht Ihnen Pfr. Thomas Markert, Kemnitz

„Wort zum Sonntag“ von Thomas Markert, Pfarrer in der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Kemnitz und Schwesterkirchgemeinden,
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 22./23.08.2020