2020-08-01 – „Wem Zeit ist wie Ewigkeit…“

Eine Wanderung mit meiner Familie führte mich kürzlich auf den Czorneboh. Auf unseren Wanderwegen über Stock und Stein weckte das Hinweisschild „Jakob-Böhme-Stein“ mein Interesse. Vor zehn Jahren, noch nicht Oberlausitzer Wahlbürger, stand ich schon einmal vor diesem Gedenkstein an den Görlitzer Mystiker und Schuster aus dem 17. Jahrhundert. Der auf dem Stein eingravierte Spruch blieb mir damals bis heute sogar im Gedächtnis- obwohl ich sonst eher zur Vergesslichkeit tendiere (nicht immer zur Freude meiner Frau). Und nun stand ich wieder davor und las den tiefsinnigen Satz: „Wem Zeit ist wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit, der ist befreit von allem Streit.“ Ein schönes Wort, denke ich und gehe weiter. In mir spüre ich angenehme Ruhe und ein gutes Gefühl von Aufgehobensein.
Ein paar hundert Meter weiter wird mein Wohlbefinden auf eine harte Probe gestellt. Schwere Maschinen fressen sich durch den Wald. Alle zwei Minuten höre ich einen weiteren, borkenkäferkranken Baum krachend umstürzen. Es kommt mir fast ein wenig apokalyptisch vor, diese Geräusche, diese Anblicke von hektargroßen Flächen mit Baumstümpfen. Ich frage mich: In was für einer Welt wird meine kleine Tochter groß, die ich mit ihren acht Monaten gerade auf dem Rücken trage und die schlafend von alledem (zum Glück) nichts weiß?
Jakob Böhme war es wichtig, den Glauben an Gott in sich lebendig zu halten. Nicht als eine Sammlung von Geboten („Du sollst nicht dies und das…) oder als leere Rituale. Sondern als eine persönliche Beziehung zum himmlischen Vater. Voller Vertrauen für den Lebensweg, voller Freude über die Schönheit der Schöpfung und immer im Gebet, um zum Himmel Kontakt zu halten. Das soll die Seele ruhig machen- und sie vor so manchem Ärger und mancher Angst schützen. Es bleibt eine Lebenskunst, sich mit persönlichen Sorgen Gott anzuvertrauen. Aber in diesem Vertrauen erlebe ich immer wieder, von dem „Streit“ in mir und um mich herum befreit zu werden. Gott sei Dank.                                         
 Herzlich grüßt Sie Pfr. Jonathan Hahn

P.S. Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir doch mal Ihre persönliche Geschichte, wo sie tiefes Vertrauen spüren durften. Ich freue mich auf ihre Zuschrift unter Kirchgasse 3, 02748 Bernstadt).

Pfarrer Jonathan Hahn, Ev.-Luth. Kirchgemeinde Bernstadt a.d.E. und Schwesterkirchgemeinden

„Wort zum Sonntag“, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung am 01./02. August 2020