2022-02-27 – Sicherheit in unsicheren Zeiten

Am 26. Februar 386 wurde im Römischen Reich per kaiserlichem Beschluss der Handel mit Gebeinen von Märtyrern verboten.

Diese Information ist einigermaßen kurios und scheint weit weg von unserem Leben zu sein. Reliquien schauen wir uns allenfalls in Museen oder Kirchen an. Anbetung oder Handel sind für uns kein Thema. Selbst das Gedenken ist – zumindest im evangelischen Bereich – auf wenige Personen der Kirchengeschichte beschränkt.

Interessant ist dann aber, dass dieses Gesetz zwar erlassen, aber nicht beachtet wurde.

Offensichtlich brauchten die Menschen damals Reliquien und waren bereit, viel dafür zu bezahlen: Geld und auch das Ertragen der Folgen, die die Missachtung des kaiserlichen Verbots nach sich ziehen mussten. Es waren eben nicht nur alte Gebeine, die erworben wurden. Reliquien versprachen Sicherheit und gaben das Gefühl, in den Auseinandersetzungen des Lebens auf der richtigen Seite zu stehen. Sie waren der direkte Kontakt zum Heiligen.

Mit welchen Sicherheiten kommen wir durch unsichere Zeiten? Was ist der richtige Platz im Leben? Das sind Fragen, die nicht nur vor fast zweitausend Jahren eine Antwort finden mussten. Sie müssen zu jeder Zeit und von jedem Menschen beantwortet werden.

Die Fragestellung, die sich hinter der kaiserlichen Anordnung verbirgt, ist also immer wieder aktuell.

Und auch das Verbot eines „Reliquienhandels“ ist aktuell.

Wenn wir an Bildern und Ereignissen aus der Vergangenheit festhalten und sie unreflektiert in die Gegenwart übertragen, dann gibt das vielleicht zunächst eine Orientierung. Vielleicht entsteht sogar ein Hochgefühl, „die Wahrheit in der Tasche zu haben“ – oder wenigstens einen Teil davon. Doch wird das weder der Gegenwart gerecht, noch schenkt es dauerhafte Gewissheit, noch ist das vereinbar mit den Aussagen unseres Glaubens.

Aber auch das gilt:

Wenn Menschen in der Gemeinde über Gott und mit Gott sprechen, können sie ihren Blick weiten. Das ermöglicht Standortbestimmung und wenn nötig Umkehr.

Wenn Menschen in Beziehung zueinander gehen und diese nicht durch vorgefasste Meinungen blockieren lassen, wird die Gemeinschaft bewahrt und das Gemeinwesen gestärkt. 

Frei werden von trügerischen Sicherheiten, frei werden für die Sicherheit, die Gott schenkt – der Bibelspruch der Herrnhuter Losung an diesem Sonntag spricht ebenso davon: „Hoffe auf den Herrn. Sei stark und fasse neuen Mut. Setz deine Hoffnung auf den Herrn!“ (Ps 27,14 BasisBibel).

„Wort zum Sonntag“, von Antje Pech, Superintendentin im Kirchenbezirk Löbau-Zittau, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 26./27. Februar 2022