2019-03-16 – Eine gute Erfindung

Es ging in der Schule um große Erfindungen der Menschheit. Die Lehrerin fragte ihre wissbegierigen Schülerinnen und Schüler: „Welche wichtigen Dinge, die heute das Leben schön und angenehm machen, gab es vor 50Jahren noch nicht?“
Aus der zweiten Reihe meldet sich ein Junge und sagt mit strahlenden Augen: „Mich!“
Wenn wir die Geschichte der großen Erfindungen in der Menschheitsgeschichte durchgehen, können wir eine ziemlich erschreckende Entdeckung machen: Viele Dinge des täglichen Gebrauchs haben ihren Ursprung in Erfindungen, die mit Kriegen und Kriegsführung zu tun haben. Und viele Erfindungen wurden durch die Forschung für Kriegszwecke weiterentwickelt – von der Haarbürste über das Penicillin bis hin zur Mikrowelle, dem Computer und dem Internet, das in diesen Tagen seinen 30. Geburtstag feiert. Bei vielen Erfindungen liegen Segen und Fluch nah beieinander. Bei aller Genialität des Internets wird doch immer wieder auf die Gefahren hingewiesen: Datenmissbrauch, Desinformation, Hassreden, Zensur. Gerade in dieser Zeit sollten wir uns bewusst machen, dass Gewalt und Krieg die schlimmsten „Erfindungen“  der Menschen sind und das Menschsein schlechthin in Frage stellen. Der Friede ist immer dann in Gefahr, wenn der Wert und die unantastbare Würde des Menschen bedroht werden.
Darum sollten wir uns vielleicht gerade jetzt in der begonnenen Passions- oder Fastenzeit Gedanken machen, welchen Wert wir – jede und jeder von uns persönlich – dem menschlichen Leben zumessen. Oder noch einmal mit anderen Worten: Diese Zeit lädt uns ein, menschlicher zu werden. Da können wir Entscheidendes lernen vom kleinen Jungen aus der zweiten Reihe, der sich als eine richtig wichtige Erfindung in diesem Leben sieht. Wir Menschen sind Gottes beste Erfindung; wenn wir uns selbst so betrachten können, wenn wir die Talente, die jedem von uns gegeben sind, wahrnehmen und entfalten, wenn wir lernen, uns selbst mit unseren Grenzen und unseren Begabungen anzunehmen, uns für eine gute Erfindung unseres Schöpfers zu halten, dann können wir auch die Würde eines jeden anderen Menschen achten und pflegen – und haben ein wirksames Mittel gegen Gewalt und Krieg. Eine Besinnung auf die eigenen Talente und einen Gedanken dahin, eine gute Erfindung Gottes zu sein, das wünsche ich Ihnen.

„Wort zum Sonntag“, von Ansgar Schmidt, Pfarrer in Zittau,
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 16./17. März 2019.