2020-09-27 – Was ist Wahrheit?

Diese Frage ist so alt, wie wir Menschen. Wir leben in einer verwirrenden Zeit und wollen wissen, was wahr ist. Na gut, es gibt Wahrheiten, auf die wir lieber verzichten. Wenn ein kleines Kind zu jemandem sagt: „Du riechst nicht gut!“, mag das wahr sein, aber nicht unbedingt empfehlenswert. Andere Wahrheiten interessieren viele Menschen nicht. Zum Beispiel Antworten auf die Frage, wie die Spottpreise beim Einkaufen an der Fleischtheke, oder auf dem Wühltisch zustande kommen. Faktenchecks sollen die Wahrheit fördern. Das hilft weiter, aber wer garantiert mir, dass ich nicht „alternativen Fakten“ auf den Leim gehe? Je mehr man darüber nachdenkt, umso komplizierter scheint es zu werden.

Wir Europäer denken bei Wahrheit oft wie die alten Griechen. Für sie bedeutete Wahrheit das, was der Verstand entdeckt hat. Das Problem ist, dass sich solche Wahrheiten ändern. Zum Beispiel hat die Erkenntnis, dass unsere Erde eine Kugel und keine Scheibe ist, im Mittelalter ganz viele „Wahrheiten“ auf den Kopf gestellt. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn wir nicht von der Wissenschaft absolute Wahrheiten erwarten würden. Aber Wissenschaftler können immer nur den aktuellen Wissensstand liefern und sind auch da oft nicht einer Meinung. Deshalb sind auch unsere aktuellen Diskussionen um das Virus, das Klima oder die Wirtschaft so schwierig. Wir erwarten von der Wissenschaft ewig gültige Wahrheiten. Ein Mathematiker soll einmal gesagt haben: „Wissen hält nicht länger als Fisch“. Worauf kann man sich dann überhaupt verlassen?

Diese Frage verrät schon, worum es eigentlich geht: Wir möchten uns verlassen können. Wir suchen jemanden, dem wir vertrauen können.

Die Überschrift „Was ist Wahrheit?“ ist durch Pontius Pilatus berühmt geworden. Er war vor 2000 Jahren Statthalter von Jerusalem und der Mann, der Jesus von Nazareth kreuzigen ließ. Kurz vorher hatte Jesus zu ihm gesagt: „Ich bin dazu in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu bezeugen.“ Wahrheit bedeutete in der Sprache von Jesus so viel wie, dass etwas dauerhaft Bestand hat, zuverlässig ist… Wahrheit ist hier also nicht Wissen, was nur so lange Bestand hat, wie ein Fisch frisch bleibt, sondern ewige Wahrheit, auf die man sich verlassen kann.

Für mich als Christ ist das beste Beispiel dafür die Liebe Gottes zu uns Menschen, die sich nicht ändert, sondern dauerhaft besteht und die sich am deutlichsten in Jesus Christus, dem Sohn Gottes zeigt. Die ganze Bibel erzählt davon.

Auf diese Wahrheit können wir aber nicht selber kommen. Darum ist sie zu uns gekommen. Gott kam als Baby in einem Stall zur Welt. Als Jesus von Nazareth ist er aufgetreten und hat sinngemäß gesagt: „Leute, ich bin’s, die Wahrheit höchstpersönlich. Ihr habt mich doch gesucht. Also, hier bin ich.“ Kann man so eine Behauptung ernst nehmen? Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Sprechen sie ihn an, auch wenn Sie ihn nicht sehen können. Sie brauchen dazu keine Institution oder Anleitung. Riskieren sie den „Sprung ins kalte Wasser“ und vertrauen darauf, dass er lebt, dass Jesus ihnen zuhört. Ich mache Ihnen ausdrücklich Mut dazu. Ich durfte ihn, die Wahrheit, kennen lernen, auch wenn ich viele Wahrheiten nicht weiß.

„Wort zum Sonntag“ von Thomas Hoffmann, Gemeinschaftspastor der Landeskirchlichen Gemeinschaft Zittau
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 26./27. September 2020.