2021-06-26 – Auf (barmherziges) Wiedersehen!

Unser Gespräch geht mir nach. Ich hatte mich gefreut, dass wir uns überraschend sehen. Und dann lief alles ganz anders. Ich spürte den Ärger, die Enttäuschung, den Frust. Das Fass war zum Überlaufen voll – nun war es übergelaufen. Da standen wir nun, irgendwie sprachlos, auch hilflos. Abgekämpft. Müde.
Wie können wir wieder zueinander finden? Zum gemeinsamen Lachen? Zum gemeinsamen Tragen des Schweren, das wir gerade erleben? In welche Richtung können die ersten Schritte gehen?
Meine Gedanken kreisen lange. Auch abends noch. Das kenne ich sonst nicht. Nicht so intensiv. Eine gedankliche Tür öffnet sich – zur Jahreslosung, zu dem Bibelwort, das uns das ganze Jahr begleitet: Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Ich merke, wie sehr ich auf diesen barmherzigen Umgang angewiesen bin. Wir alle. Denn ich mache Fehler. Wir haben alle unseren eigenen Kopf. Ich meine Entscheidungen treffen zu müssen. Wir wollen umsetzen, was wir geplant hatten. … Wie schnell ist dann etwas im falschen Ton gesagt oder es kommt ganz anders an, als wir es gemeint haben. Können wir noch einmal neu aufeinander hören? Und gemeinsam stille sein, um uns zu orientieren und zu sammeln? Auch und gerade als Geschwister im Glauben, als Kinder Gottes? Werde ich es fertig bringen, um Verzeihung zu bitten? Und werden wir uns genügend Zeit dafür nehmen?
Verzeihen ist nicht zwischen Tür und Angel gemacht, wenn der Schmerz, die Enttäuschung tief sitzt. Eine Schuld wird nicht mit einem Blumenstrauß hinweggewischt. Wir benötigen das Hören und Reden. In dieser Reihenfolge. Und ein weites Herz. Auch den Willen dazu, dass wieder etwas wirklich gut werden soll.
Jesus spricht von Gott als von einem barmherzigen Vater. Wie würde ER mit uns handeln? Wahrscheinlich denke ich mir Gott da sehr menschlich und lege meine Vorstellungen hinein: Ich wünsche mir einen himmlischen Vater, der sich Zeit nimmt, mir zuhört, Verständnis aufbringt und mir verzeiht. Von IHM können wir also lernen – und unser Handeln nach seinem ausrichten. Dann wird es gut, auch in unserem Miteinander. Das wünsche ich uns. Damit wir uns freuen, wenn wir uns wiedersehen.

„Wort zum Sonntag“, von Dorothee Markert, Pfarrerin im Kirchgemeindebund Löbauer Region
veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 26./27.06.2021