2022-09-25 – „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied…(!?)“  

Stimmen Sie dieser Aussage zu? Setzen Sie ein Fragezeichen, oder verneinen Sie die Aussage? Ich sage: „Nein, dieser Satz stimmt für mich nicht!“ Zumindest nicht in der Weise wie es eine Werbung suggeriert, wo sich zwei Männer treffen und jeder dem anderen seine Errungenschaften auftischt: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot! – Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!“

Immer höher, immer weiter – und all das habe ich ganz allein geschafft. Für manche Menschen ist es der ganze Stolz, ihre Errungenschaften und damit sich selbst zu präsentieren.

Im Predigttext für das Erntedankfest, das wir diesen oder kommenden Sonntag feiern, begegnen mir eher nachdenkliche Worte. Dort heißt es: „Gedenke an Gott; denn er ist es, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen.“ (Die Bibel 5 Mose 8,15

Mir helfen diese Worte, mich und mein Leben zu erden. Natürlich darf ich mich über die Früchte meines Lebens freuen, die aus meinem Handeln gewachsen sind. Und einiges von dem, was aus mir geworden ist, verdanke ich meiner Beharrlichkeit und meinem Fleiß. Aber was wäre mein Leben ohne die Menschen, die mein Leben begleitet haben und ohne die Höhen und Tiefen, die mir innerlich viel Kraft abverlangt haben, die mich aber innerlich zu dem Menschen reifen ließen, der ich heute bin? Und was ist mit meinen Gaben, die ich mein Eigen nennen darf? Sind sie allein Ergebnis eigner harter Arbeit? Bin ich ein Zufallsprodukt der Gene meiner Eltern, oder steht hinter allem Gott, dem ich mein Leben verdanke? Es sind Fragen, die sich nicht mit „richtig“ oder „falsch“ beantworten lassen, sondern die ich nur persönlich für mich beantworten kann. Und das möchte ich gern tun: Mir ist es eine große Hilfe zu wissen, dass nicht alles von mir allein abhängt. Das bewahrt mich vor Größenwahn, weil es mich erdet. Für mich ist entlastend zu wissen, dass ich nicht die Sonne bin, um die sich alles dreht, sondern ein winziger Teil des Universums. Stärkend und ermutigend für mich ist, einen Gott an meiner Seite zu haben, für den ich kein Unbekannter bin. Er kennt mich bei meinem Namen (Jesaja 43,1). Das berührt mich und trägt mich. Er achtet mich wert. Als sein Kind (!) darf ich Teil der Familie Gottes sein. Das gibt mir Sicherheit, besonders in Situationen, wo ich von Menschen enttäuscht oder abgelehnt werde.

Gott zu danken ist für mich kein Selbstzweck, sondern innerer Antrieb, Gutes zu tun und zu bewirken. Im Dienst am Nächsten habe ich die Möglichkeit, Gott etwas von dem zurückzugeben, was ich an Guten aus seiner Hand empfangen habe („Was ihr getan habt einem von diesen meinen Geringsten, das habt ihr mir getan.“, Die Bibel, Matthäus 25,40).

Zurück zum Anfang: Nicht der Schmied des eigenen Glücks sein zu müssen, weil mein Leben in Gottes Hand liegt, empfinde ich entlastend und befreiend. Ich lebe nicht davon, dass ich viele Güter habe, wohl aber aus dem Dank jener Menschen, die Gutes aus meiner Hand oder aus meinem Mund empfangen haben.

„Wort zum Sonntag“, von Pfarrer Peter Pertzsch, Krankenhaus Großschweidnitz, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 24./25. September 2022.