2022-10-30 – „Lückenbüßer“, „Feuereifer“, „Machtwort“
Der 20. Sonntag nach Trinitatis, der in diesem Jahr auf den 30. Oktober fällt, steht im 504 Jahre langen Schatten des auf ihn folgenden Feiertags: dem Reformationsfest am 31. Oktober.
Und es gibt schon wieder etwas zu feiern. Diesmal ist es die Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche durch Martin Luther vor 500 Jahren. Nachdem Luther im Mai 1521 auf dem Reichstag in Worms seine Thesen und Schriften zur Kirchenreform nicht widerrufen hatte, erklärte ihn Kaiser Karl V. für vogelfrei. Daraufhin ließ der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise Luther auf dessen Rückreise von Worms zum Schein entführen und auf der Wartburg verstecken. Luther verbrachte hier etwas 10 Monate als Junker Jörg. Die Zeit von Mitte Dezember 1521 bis Ende Februar 1522 nutze Luther für die Übersetzung des Neuen Testaments. Jemand hat ausgerechnet, dass er von dem Buch, dass Theologen unter der Abkürzung NTG (Novum Testamentum Graecum) kennen, etwa neuneinhalb Seiten pro Tag übersetzte. Ich kann Ihnen versichern: Er hat fleißig gearbeitet! Als er Anfang März 1522 die Wartburg verließ, nahm er jedenfalls eine komplette, leider nicht erhalten gebliebene Rohübersetzung des Neuen Testaments mit nach Wittenberg. In den Monaten danach wurde der Übersetzungsentwurf noch einmal von Gelehrten überarbeitet und erschien am 21. September 1522 erstmalig in gedruckter Form, weshalb es „Septembertestament“ genannt wird.
Luthers Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche ist nicht die erste ihrer Art. Besonders wird diese Übersetzung aber dadurch, wie sie gemacht ist. Luther bemühte sich nicht um eine wortgetreue Übertragung der Wörter von der einen in die andere Sprache. Sein Anliegen war es, den Sinn der Texte zu erfassen und wiederzugeben. Luther wollte, dass die „frohe Botschaft“ bei den Menschen ankam, wie (er dachte, dass) sie gemeint war. Dafür bemühte er sich z.B. um eine für den einfachen Mitbürger verständliche Sprache. Daher sind in Luthers Bibel Dinge zu finden, die es zwar nicht im Israel zur Zeit Jesu, aber im Deutschen Reich zu Luthers Zeiten gegeben hat. Für Wörter, für die es bis dahin keine deutsche Entsprechung gab, erfand Luther eine (s. Überschrift).
Seine Bibelübersetzung hatte nachweislich einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache und nicht wenige unserer Sprichwörter stammen aus der Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Das ist doch ein schöner Grund zum Sich-Erinnern und Feiern. In der Kirchgemeinde Schönbach-Dürrhennersdorf gibt es deshalb schon lange die Tradition des Luther-Spiels am Reformationstag. Ich lade Sie ein, am 31. Oktober um 17.00 Uhr in die Kirche Dürrhennersdorf zu kommen und sich die Geschichte rund um diesen Feiertag und die Bibelübersetzung anschaulich erzählen zu lassen.
„Wort zum Sonntag“, von Pfarrerin Friederike Hecker, Pfarrerin in der Kirchgemeinde Ebersbach und im Kirchspiel Oberes Spreetal veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 29./30. Oktober 2022.