2023-02-12 – Gottes Gedanken?

Maulwürfe haben auffällig große Hände. Wozu? Klar, zum effektiven Graben. Störche hingegen haben, wenn sie fliegen, eine weite Spanne ihrer Flügel. Wozu? Um nämlich im Segelflug ohne Flügelschlag enorme Entfernungen zurückzulegen. Bei Tieren lassen sich ihr Körperbau und ihre Lebensweise meist prima in Einklang bringen. Und beim Menschen? Nun, wir haben verglichen mit anderen Lebewesen ein recht großes Gehirn. Naheliegend ist, dass wir dieses in besonderer Weise zum Denken brauchen. Dass wir denken, wissen wir aus eigener Erfahrung. Doch was Andere denken – über uns oder über bestimmte Themen – können wir von außen nicht erkennen, wenn sie es uns nicht selbst sagen. (Obwohl es ja manchmal vorkommt, dass wir die Gedanken unsers Gegenübers geradezu lesen können…)

Wir Menschen sind in der Lage in kürzester Zeit eine ganze Gedankenwelt zu erschaffen. Ein Gedankenblitz hilft uns unerwartet weiter, wo lange keine Lösung in Sicht war. Und wer mit höchster Konzentration in die Arbeit versunken ist, erfährt eine beglückende Übereinstimmung von Denken und Handeln, von Gedankenfluss und praktischem Tun. Freilich kann es auch schön sein, das aktive Denken einfach mal ruhen zu lassen und gedankenversunken bei einem Spaziergang Wald und Wiesen zu genießen.

Doch das Gedankenkarussell kann sich auch zu unserem Schaden drehen. Sorgen und Ängste verstärken sich gegenseitig, wenn wir keine Antwort auf sie haben. Manchmal zweifeln wir als gläubige Menschen dann auch an Gott. Denn wir versuchen anhand unseres Denkens und unserer Erfahrungen auf Gottes „Meinung“ und seine Möglichkeiten zu schließen.

An morgigen Sonntag lässt das Buch Jesaja Gott dazu zu Wort kommen: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken“ (Jes 55,8-9).

Für mich ist es tröstlich, dass Gott in seiner Göttlichkeit viel größer ist als das, was ich mir gedanklich vorzustellen vermag. Es ist gut, dass er meine Gedanken himmelweit übersteigt und dass er Wege gehen kann, die für mich unvorstellbar sind. Es ist gut, dass er Gott ist und mit uns Menschen den Kontakt sucht – und so eine komplett andere, ja himmlische Dimension in die Enge des Lebens bringt. Denn Gott ist nicht so irdisch-begrenzt wie unser Denken. Ein Blick nach oben, in die Weite des Himmels, mag gerade uns denkbegabte Geschöpfe immer wieder daran erinnern.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

„Wort zum Sonntag“, von Pfarrer Alexander Stokowski , Missionarische Pfarrstelle im Ev.-Luth. Kirchenbezirk Löbau-Zittau zur Begleitung und Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 11./12. Februar 2023