2023-03-26 – Frühlingsgedanken

Seit vergangenem Montag haben wir Frühling. Nicht nur laut Kalender.
Die Vögel zwitschern schon am frühen Morgen. Schneeglöckchen und Krokusse blühen, auch manche Osterglocken haben schon gelbe Spitzen. Es weht ein vergleichbar laues Lüftchen. Auch die in der kommenden Nacht beginnende Sommerzeit lässt keinen Zweifel aufkommen. Der Frühling ist da. Gewiss wird der April noch ab und zu an den überstandenen Winter erinnern, aber das Leben erwacht wieder. Gott sei Dank! Wir dürfen uns freuen.
Schlägt man allerdings die Zeitung auf, vergehen einem schnell die Frühlingsgefühle.
Der Krieg in der Ukraine hat uns alle wieder auf den Boden der Realität zurückgebracht. Nach über 70 Jahren Frieden fast überall in Europa müssen wir zur Kenntnis nehmen: Krieg ist auch heute eine reale Bedrohung.  Die Mächtigen dieser Welt nehmen sich, was sie wollen, wenn sie dazu die Macht haben. Das Leben der kleinen Leute wird gnadenlos geopfert. Wir haben deshalb Angst, dass der Krieg um sich greift.
Auch sonst gibt es Grund zur Sorge. Fracking-Gas, bisher zu Recht aus Umweltgründen das No-Go schlechthin, wird plötzlich stubenrein. Dazu wird, wie diese Woche hier in der SZ zu lesen, eine riesige Anlage in der Ostsee vor der Küste Rügens installiert, die „weder energiepolitisch noch klimapolitisch sinnvoll“ ist, so beurteilt dies immerhin das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. In der Kapazität fast achtmal größer als die kürzlich in Wilhelmshaven in Betrieb genommene Anlage. Trotzdem sollen im kommenden Jahr, wie in einem durchgestochenen Gesetzentwurf zu lesen ist, reine Öl- und Gasheizungen verboten werden. Für die klimaverträglichen sehr teuren Alternativen werden nun schnell Subventionen angekündigt. Aber der kleine Mann, der darauf angewiesen wäre, fragt sich besorgt, wer soll das am Ende bezahlen? Erst die riesigen Milliardensummen in der Corona-Zeit, dann die Unsummen, die uns der Krieg in der Ukraine aufdrückt (u.a.100 Mrd. Sondervermögen für nun notwendige Militärausgaben) und nun auch das noch? Woher soll das viele Geld kommen?
Ich mache mir Sorgen. Die Mächtigen werden auf meine Sorgen  keine Rücksicht nehmen und ihre Pläne durchziehen. Das ist leider so.
Obwohl viele Fragen offenbleiben, möchte ich voll Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft blicken.
Meine Hoffnung ruht auf Gott, der immerhin Himmel und Erde geschaffen hat.
Ihm traue ich zu, dass er diese Erde erhält und auch die Mächtigen dieser Welt in Schach hält. Was aber bleibt mir zu tun? Kann ich etwas tun? Jesus sagt im Markusevangelium: „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht. Wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Dienen ist angesagt. Für andere Menschen da sein. Jeder kennt Menschen, die in diesen schwierigen Zeiten Hilfe brauchen – praktisch oder seelisch. Es bringt nichts, über die da oben zu jammern. Wir sollten uns gegenseitig helfen und so die Hoffnung und Zuversicht weitergeben, die wir von Gott empfangen. Wenn wir den Großen Lieblosigkeit vorwerfen, sollten wir Kleinen zeigen, dass es auch anders geht. Der beginnende Frühling gibt dazu etwas Rückenwind. Er ist für mich das Zeichen Gottes: Ich habe euch nicht vergessen!  

„Wort zum Sonntag“, von André Rausendorf, Pfarrer in der Kirchgemeinde Am Großen Stein Seifhennersdorf, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 25./26. März 2023