2023-04-23 – Mitarbeitervertretung – die Gewerkschaft der Kirche?

Wozu brauchts in der Kirche eine Gewerkschaft? Sind wir nicht alle dem einen Vorbild Jesus Christus verpflichtet, der die Gleichheit aller Gläubigen lehrte.
Gerade am 2. Sonntag nach Ostern, dem Hirtensonntag, könnte diese Frage im Vordergrund stehen. Der Sonntag dieser Woche: Misericordias Domini – die Erde ist voll der Güte des Herrn, ruft quasi dazu auf, gleichberechtigt miteinander umzugehen. So wie Jesus es vorlebte, als unser Guter Hirte.
Der biblische Spruch, der uns in der kommenden Woche begleiten soll, ist dieses markante Hirtenzitat Jesu. Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

Dreimal „UND“ – grammatikalisch völlig falsch, aber im Bibelzitat streicht es 3 Aspekte des Glaubens heraus: Jesus kennt jeden Einzelnen, jeder hat so viel Vertrauen, dass er sein Leben gemeinsam mit den Anderen nach Jesu Vorbild gestalten will, Jesus gibt dem Leben Sinn.
Das Bild vom Hirten ist ein oft gebrauchtes Bild in der Kirche. Bischöfe werden Hirten genannt. Von anderen Mitarbeitern der Kirche werden hirtenähnliche Eigenschaften zumindest erwartet. Das Bild von Hirte und Schafen ist nicht zufällig gewählt. Hirten drücken Güte, Vertrauen, Milde aus und Schafe sind sehr verletzliche und duldsame Tiere, mit denen man vorsichtig umgehen sollte.
Dass die Kirche im Lauf der Geschichte immer wieder mal Schwierigkeiten mit dem Thema Gemeinsam und Gemeinschaft hatte, beweisen die zahlreichen Erneuerungsbewegungen, bei denen sich Christen immer wieder mal auf die Ursprünge ihres Lebens besonnen haben. Auch der große Martin Luther fühlte sich genötigt, vom Priestertum aller Gläubigen zu sprechen.
Es scheint also immer wieder Menschen zu brauchen, die sich für die Rechte aller, also auch derer, deren Stimme unhörbar ist, weil sie zu schüchtern, zurückhaltend, duldend sind, einsetzen.
Gewerkschaften sollten diese Aufgabe erfüllen. Vielleicht versuchen wir es bei der Kirche noch mehr als in anderen Branchen, auf gemeinsame Art und Weise Lösungen für Probleme zu finden. Stellvertretend für alle gibt es dann gewählte Mitarbeiter aus den verschiedenen Berufsgruppen der Kirche, die sich für die Belange aller einsetzen. Wichtig ist dafür das Vertrauen, das alle, die miteinander arbeiten, zueinander haben sollen, wie eine Schafherde mit Hirten. Deshalb finde ich an dieser Stelle das Wort Mitarbeitervertretung eigentlich auch besser als das Wort Gewerkschaft.
Und ich find es gut, im Kirchenjahreskalender immer mal wieder an dieses gemeinsam verbindende Verhältnis vom guten Hirten und den Schafen erinnert zu werden.

„Wort zum Sonntag“, von Mirko Hirsch, Religionslehrer und Mitarbeitervertreter im Kirchenbezirk Löbau-Zittau, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 22./23. April 2023.

Mirko Hirsch   Religionslehrer und Mitarbeitervertreter im Kirchenbezirk Löbau-Zittau