2023-12-24 – Mich meint ihr nicht!

Diese Worte legte ein Pfarrer in den Nachkriegsjahren Jesus in den Mund, als er seine Weihnachtspredigt hielt: Mich meint ihr nicht! Euch geht es nicht um mich, wenn ihr Weihnachten feiert! Dieser Satz hatte einige junge Hörerinnen so getroffen, dass sie sich jetzt noch, im hohen Alter, daran erinnern und mir in einem Gespräch kürzlich davon erzählen konnten.

Kann das sein, Weihnachten zu feiern und das Christkind nicht zu meinen?

So unmöglich ist das nicht. Das kann man an einer Beobachtung ablesen, die ich gelegentlich bei Geburtstagsfeiern mache. Die Eltern oder Großeltern haben einen runden Geburtstag. Die ganze Familie kommt zusammen, um zu feiern. Es wird dem Geburtstagskind artig gratuliert, es gibt sicher auch ein hübsches Geschenk. Wenig später sitzt das Geburtstagskind irgendwo am Tisch oder in seinem Sessel in der Ecke und wird kaum noch beachtet.
Man hat mit den anderen Gästen viel mehr Gesprächsstoff, die letzte Begegnung liegt lange zurück. Die Familie ist übers ganze Land verstreut. Neuigkeiten und Probleme gibt es wahrlich genug.
Über was soll man mit Oma oder Opa reden? Die leben doch in ihrer Welt von damals. Die alten Geschichten hat man schon oft gehört. Es ist ihr Fest, aber die Gäste meinen nur sich selbst. Sie wollen Spaß haben, wollen von dem reden, was ihr eigenes Leben ausmacht. Sie denken wahrscheinlich gar nicht darüber nach, dass es auch anders ginge. Ganz sicher wollen Oma und Opa hören, was die jüngeren Menschen beschäftigt, aber sie verstehen es nicht, weil zu leise gesprochen wird und nicht direkt mit ihnen.

Kann es sein, dass es zu Weihnachten nicht anders ist? Eine weltweite Party. Bestenfalls geht man noch artig in die Kirche und sieht sich das Krippenspiel an, das für viele nur noch ein Weihnachtsmärchen ist. Dann folgt die Feier, so wie es in der Familie Brauch ist. Aber das Geburtstagskind Jesus bleibt im Abseits.

Mich meint ihr nicht! Das könnte Jesus auch heute sagen, wenn er unsere Weihnachtsfeste sieht. Wir feiern Weihnachten. Wir geben dem Christfest neue Namen, nennen es Fest des Friedens, Fest der Familie, Fest der Liebe, Fest des Lichtes. Alles ehrenwerte und wichtige Beschreibungen, die durchaus passend sind. Aber mich meint ihr nicht. Der zu Weihnachten geborene Heiland der Welt ist nur noch Dekoration.

Darüber sollten wir nachdenken. Ein Fest hat nur dann eine wirkliche Bedeutung, wenn sein Anlass ernstgenommen wird. Wie bereichernd kann das Gespräch mit Oma oder Opa sein, wenn man sich zu ihrem Geburtstag oder auch bei anderer Gelegenheit dafür wirklich Zeit nimmt.

Weihnachten bekommt Tiefe, wenn wir die Zuwendung und Liebe Gottes annehmen, der in Jesus Mensch geworden ist.

Gott steht an unserer Seite, auch in dieser beängstigenden Zeit. Wir haben das vielleicht bisher übersehen: Gott meint mich, wenn er seinen Engel verkündigen lässt: Euch ist heute der Heiland geboren.  Das gibt meinem Leben Halt und Hoffnung.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Christfest!

„Wort zum Sonntag“ von André Rausendorf, Pfarrer in der Kirchgemeinde am Großen Stein Seifhennersdorf, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 23./24.12.2023.