2024-11-10 – Schwerter zu Pflugscharen 

Vielen Bürgern der DDR wurde ein Wort vom Propheten Micha (Mi 4,1-5.7b) zum Symbol ihrer Befreiungsbewegung: Das Schmieden der Schwerter zu Pflugscharen. Der Visionär zeichnet eine Welt, in der der „Gott Jakobs“ überall respektiert wird.  Wir wissen, dass diese Vision etwas mit der Endzeit der Weltgeschichte zu tun hat, in der wir noch nicht leben.  Für einige oder sogar viele Leute ist die Stadt Jerusalm das Zentrum der Welt, auf keinen Fall aber für die meisten. Erst wenn der Tempelberg Zion zum gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zentrum wird, kann man laut Micha von dieser Endzeit sprechen. Man kann auch nicht sagen, dass die Nationen sich heute vom Gott Jakobs unterweisen lassen. Die Waffen schweigen auch nicht, deshalb kann man sie nicht zu Pflugscharen und Sicheln schmieden. Menschen sitzen unter ihren Weinstöcken und Feigenbäumen und werden erschrecken.
Ein unsichrer Frieden ist ein unruhiger Frieden und in dem Sinne kein Frieden. Zuerst muss der innere Frieden da sein. Konflikte kann man nicht gleich schlichten. Man kann aber immer wieder anfangen Frieden zu suchen – im Kleinen so wie im Großen. Gegen Hass und Verachtung können wir etwas tun, jede Zeit. Es bringt nicht viel, wenn wir wegen unterschiedlicher politischer Konzepte hadern, zanken und gehässig werden, als wären Konzepte heilig.
Wenn es vor vier Jahren in der Coronazeit vor allem um den Streit zwischen Gesundheitsaposteln und Freiheitskämpfern ging, sind wir heute tatsächlich vor allem mit der Erschütterung des Friedens beschäftigt. Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten beunruhigen auch uns Mitteleuropäer heftig.  Ich kenne keinen Menschen in meiner Umgebung, der sagen würde: „Ich will keinen Frieden.“ Bloß wir haben unterschiedliche Vorstellungen von den Mitteln, die zum Frieden führen. Die einen unterstützen die Ukraine und Israel in ihren Abwehrkämpfen, die anderen legen auf Diplomatie Wert. Beide Seiten hoffen, dass dadurch Frieden erreicht wird. Oft liegt die Wahrheit jedoch in der Mitte, das dürfen wir auch nicht vergessen.  

„Wort zum Sonntag“, von , Adam Balcar, Pfarrer in der Kirchgemeinde Oderwitz-Mittelherwigsdorf und Krankenhausseelsorger veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 9./10. November 2024.