2025-02-23 – Für alle. Mit Herz und Verstand
„Es ist bekannt, dass sich die Staaten auf dem Rückmarsch ins Mittelalter befinden. Sie umgeben sich mit hohen Zollmauern; sie erwägen die Binnenwährung; sie reden von nationaler Planwirtschaft; sie erschweren ihren Bürgern die Reisen ins Ausland; sie beginnen, die Vorteile des kapitalistischen Zeitalters abzuschaffen, ehe es ihnen gelang, seine Nachteile zu beseitigen. Nächstens werden sie noch das elektrische Licht verbieten, damit es in den Köpfen noch dunkler werde. Weil die Ziele einer vernünftigen Epoche höher als die heute vorhandene Vernunft liegen, senken sie diese Ziele, anstatt die Vernunft zu heben. Und diesen kümmerlichen, traurigen Vorgang preist jede Nation in ihren Mauern als „volkhafte Bewegung“.
Von Erich Kästner, einem der wohl bedeutendsten Schriftsteller des deutschsprachigen Raumes ist uns dieser so brandaktuelle Text ins Stammbuch geschrieben. Es sollte uns nicht ganz unberührt lassen, dass diese Zeilen bereits im Februar 1932 in „Die Weltbühne“ veröffentlicht wurden. Zwei Diktaturen haben wir hierzulande seither ertragen müssen.
Was ist uns unser Leben in Freiheit und Demokratie wert? Was sind wir bereit zu geben? Es ist das dringende Anliegen der Evangelischen und Katholischen Kirche, dass dem politischen Willen von Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt in der Bundestagswahl machtvoll Ausdruck verliehen wird. Ob wir es glauben wollen oder nicht: Tatsächlich kann die Würde jedes Einzelnen nur gewinnen, wenn wir die demokratischen Kräfte in unserem Land stärken; Denken und Handeln auf das Wohl aller Menschen ausrichten. Am Sonntag haben wir die Wahl uns genau dafür zu entscheiden.
„Wort zum Sonntag“, von Sigrun Zemmrich, Pfarrerin für Tourismusseelsorge im Ev.-Luth. Kirchenbezirk Löbau-Zittau, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung vom 23./24. Februar 2025.