2025-06-15 – Denn der Herr tut heute noch Wunder
Vor einigen Sommern tauchte im Kirchgarten von Olbersdorf plötzlich eine Gruppe von 18 Jugendlichen auf. Eine Dresdener christliche Gruppe auf „Null-Euro-Tour“, die uns um Quartier bat. Der junge Pfarrer erklärte, dass sie ohne Handys und ohne Portemonnaies zu Fuß unterwegs seien und sich eine Woche lang mit Gelegenheitsarbeiten und geschenktem Essen durchschlagen wollten.
Wir haben die Gruppe für eine Nacht in unserem Kirchgemeindezentrum beherbergt. Sie waren fleißig und jäteten das Unkraut zwischen den Pflastersteinen. Dafür brauchten sie sämtliche Lebensmittel in der Küche auf. Am nächsten Tag zogen sie weiter, aber nach einigen Wochen bekamen wir per Mail einen Bericht über alles, was sie erlebt hatten. Besonders glücklich waren sie über zwei Tage bei einer allein lebenden älteren Frau, der sie bei Arbeiten im Haus helfen konnten und die sie gar nicht mehr gehen lassen wollte.
Was für eine Idee, so eine Tour mit 18 Jugendlichen zu machen! Der Pfarrer war ganz schön mutig. Und die Jugendlichen erzählten hinterher, dass sie einige Enttäuschungen erlebt hätten, aber auch jede Menge Wunder. Im Prinzip ist ja beides wichtig im Leben: mit Frustrationen fertig zu werden, auch mal hungrig ins Bett zu gehen, mit Wenigem auszukommen. Und das andere: wie vertrauensvoll Menschen sein können, wie großzügig sie teilen können und mit wie wenig man anderen eine Freude machen kann. Eine prägende Erfahrung für diese jungen Menschen, die vielleicht gelernt haben, viel weniger Angst vor der Zukunft zu haben. Das Lied, das auf dieser Tour für sie zum Hit wurde, war: „Denn der Herr tut auch heute noch Wunder!“
Beitrag von Barbara Herbig, Pfarrerin in der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Zittauer Gebirge-Olbersdorf, veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung in der Rubrik „Um Himmels Willen“ vom 15./16. Juni 2025.